(Die Geschichte für meinen Liebsten)
Es gibt da einen kleinen Kerl in jedem von uns. Bei einigen Menschen ist er nur wenig spürbar oder hin- und wieder und bei anderen weicht er fast gar nicht von der Seite. Bei Erwachsenen ist er nur noch spürbar, wenn sich dieser das „Kindsein“ bewahrt hat. Ein lustiges Kerlchen ist er schon und schön ist es, wenn wir ihn zumindest hin und wieder bei uns haben – den Übermut.
Allerdings kann es schon einmal vorkommen, dass sich Übermut für eine Zeit verabschiedet, einfach verschwindet. Unvorstellbar für uns, aber selbst für ihn gibt es unvorhersehbare Geschehnisse, die ihn ängstigen. Dann verschwindet er einfach, versteckt sich.
Unser Übermut hier ist gerne aktiv – je schneller und höher desto besser. Hier hatte er einen verantwortungsbewussten Menschen ausgesucht und fühlte sich wohl. Charly lebte und hatte seinen Spaß an Bewegung und Grenzen spüren. Egal, ob er nun mit einem Segel durch die Luft glitt oder auf einem Zweirad unterwegs war. Es machte einfach Spaß diesen Menschen zu begleiten.
Eines Tages war in den Bergen auf dem Zweirad dabei. Es roch herrlich nach Sommerblumen und die Sonne heizte die Luft auf. Welch schönes Leben! Übermut sang vor sich hin und freute sich. Mit einem Schlag flog er durch die Luft! Irritiert sah er sich um. Er saß inmitten von Bergblumen und starrte auf etwas graues. Missmutig schüttelte er seinen Kopf. Er sah sich das Graue näher an und stellte fest, dass er vor einem Fels saß. Weshalb war er nicht bei Charly? Er sah sich um und konnte seinen „Herrn“ nicht mehr sehen. Erschrocken saß er da und fühlte sich ziemlich verlassen. Er gehörte zu Charly. Der kleine Kerl setzte sich in eine Höhlung des Steins und weinte erst einmal bitterlich. Ein Übermut, der weinte, war schon etwas außergewöhnliches. Er schniefte. Warum hatte Charly ihn abgeschüttelt?! So etwas war ihm ja noch nie passiert. Mit der Zeit war er richtig sauer auf diesen Menschen. Na, der kann etwas erleben! Zu ihm zurück? Niemals schwor er sich. Er hatte ihn verlassen in der Wildnis zurück gelassen. So jemanden konnte er nicht mehr vertrauen.
Die Tage vergingen, einer wie der andere, in Einsamkeit. Kleingetier, Pflanzen und Vögel versuchten ihn aufzumuntern. Doch alles war zwecklos. Eines Tages jedoch hörte er eine Stimme, die ihn rief. Diese hatte er schon häufiger gehört, konnte sie jedoch nicht zuordnen. Die Stimme lockte ihn und wollte ihn zu Charly bringen. Er zeigte sich kurz und verzog sich jedoch recht schnell wieder. Er war bockig. Egal, was die Stimme sagte, er wollte es nicht hören. Dann war die Stimme wieder weg. Übermut fühlte sich nun einsamer als zuvor.
Zwischenzeitlich hatte sich Übermut mit einer Wiesenelfe befreundet. Sie war eine Freundin geworden, auch wenn sie ihn häufig zur Ordnung ermahnte. Durch sie lernte er das Leben auf dieser Wiese zu lieben und Charly schien ihm nicht mehr zu fehlen. Das hatte das Elfchen recht gut gemacht.
Doch eines Tages hörte der kleine Kerl die Stimme wieder, die ihn lockte. Noch süßer hörte es sich an als das letzte Mal. Sie wollte ihn mitnehmen, lud ihn zum Schwimmen ein und machte viele Versprechungen. Nein! Zum Donnerwetter… Er lässt sich doch nicht um den Finger wickeln. Dachte es und verschwand wieder im Gräsergewirr der Bergblumen.
Übermut lebte weiter in seiner kleinen Bergwelt. Aber glücklich war er nur minimal. Ihm fehlte etwas mehr an Abenteuer. Gut… Einen Fuchs hatte er schon überlebt und auch den einen oder anderen Angriff aus der Luft. Dennoch war das alles etwas ganz anderes als was er bisher gelebt hatte. Wie viele Wochen lebte er nun schon hier oben? So genau konnte er es nicht sagen. Der Mond war zwei mal vollkommen rund gewesen. Das ist nun doch eine lange Zeit. Vielleicht… Vielleicht sollte er das nächste Mal dieser Stimme folgen. Wenn er sie denn überhaupt noch einmal hören sollte.
Die Tage wurden bereits kürzer, als Übermut diese Stimme wieder hörte. Dringlich hörte sie sich an. Nicht mehr ganz so bettelnd als am Anfang, dafür überzeugender. Sie erzählte ihm viel mehr von seinem Menschen und das was sie meinte von dem Sturz zu wissen. Übermut hörte zu und bekam ein schlechtes Gewissen, weil er die ersten Male so bockig gewesen war. Er folgte der Stimme, ließ sich an die Hand nehmen. Er wurde gereinigt. Jeglicher Schmutz und alle negativen Gedanken, die ihm seit dem Vorfall durch den Kopf gingen, wurden beseitigt. Er durfte in einer glasklaren Quelle baden und so richtig Unfug treiben. Hier jagte er Fische, hüpfte mit den Fröschen um die Wette und jubelte wie schon lange nicht mehr.
Nach einer geraumen Zeit war es soweit. Er sollte zu Charly zurück. Wie er sich freute! Aber ängstlich war er dennoch. Die Frauen, die ihn gereinigt hatten sprachen ihm Mut zu und ermunterten ihn seinen Platz wieder einzunehmen. Er hatte eine neue Aufgabe: Charly sollte durch ihn wieder mehr Leichtigkeit spüren. Nur so würden sie in naher Zukunft wieder neue Abenteuer bewältigen können. Sie wussten alle, dass es ein langer Weg sein würde. Gemeinsam wollten sie diesem Mann beistehen. Übermut suchte sich seinen Platz und kuschelte sich in Charlies Nacken, an seinen Lieblingsplatz.
Einen Tag später bekam Charly Besuch. Die Stimme kam Übermut bekannt vor. Er freute sich als er die Stimme sagen hörte, dass Charly lebhafter aussähe und dieser munterer wirke. Übermut jubelte. Es war richtig hier bei Charly zu sein. Mit seinen Kapriolen würde er dem Menschen schon zeigen, dass auch künftig noch viel gemeinsamer Spaß möglich war. Die Liebe des Menschen dieser Stimme und er würden tatkräftig daran arbeiten…
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