„Guten Morgen, du da hinter diesem Glas. Wer bist du?“ „Ich bin DU“ erwidert das verknitterte Etwas und lächelt verschmitzt. „Bürste dir erst einmal deine Zotteln. Dann erkennst du dich vielleicht wieder.“ Tamara nahm die Haarbürste und zog sie lieblos durch das Gewirr auf ihrem Kopf. Heute waren ihre Haare wieder arg verknotet. Sie hatte recht unruhig geschlafen. Nachdem sie das braune Gestrüpp endlich geglättet hatte, fasste sie diese zusammen und band sie hoch.
Sie verteilte die Reinigungsmilch in ihrem Gesicht und ging ganz nahe an den Spiegel heran. Das Spiegellicht lies ihre Augen gelbgrün funkeln. Tamara ging noch näher an den Spiegel heran und sucht die schwarzen Punkte auf ihrer Iris. Ihr Spiegelbild lachte schallend. „Halt die Klappe“, schimpfte sie zornig während sie die Schmiere mit viel zu warmen Wasser aus dem Gesicht abwusch. Im Spiegel sah ihr ein krebsrotes Gesicht entgegen. „Was tust du dir an?“ fragte das Gegenüber. „Nichts! Ich will mir einfach weh tun. Ich muss mich spüren, dass ich da bin.“ „Du bist doch da. Du kannst dich sogar sehen“, antwortete das Spiegelbild. „Sehen ja, aber nicht fühlen. Ich bin eiskalt. Keine Emotionen in mir.“
In dem Moment trat das Gegenüber aus dem Spiegel heraus und nahm Tamara in den Arm. „Geh etwas liebevoller mit dir um!“ schimpfte das lebendig gewordene Spiegelbild. „Wenn du dich selbst so mies behandelst, wie soll dich jemand anderes dann gut behandeln?“ „Jemand anderes gibt es schon lange nicht mehr. Ich bin gerne alleine. Komme gut zurecht und brauche niemanden. Niemanden! Verstehst du?!“ „Mich kannst du nicht abschütteln. Wir gehören zusammen. Ob du willst oder nicht.“ „Geh in den Spiegel zurück und lass mich in Ruhe“, schimpfte Tamara.
Schulterzuckend verschwand das Spiegelbild wieder hinter dem Glas und sah genauso erbost aus wie Tamara selbst. Zornig feuerte Tamara die Bürste gegen den Spiegel, der sofort in tausend Einzelteile zerbrach und mit ihm das Spiegelbild. Die Frau nahm eine spitze Scherbe und drückte sie auf die dicke Vene am Handgelenk bis Blut heraustrat und schnitt tief ein. Sofort spritze Blut heraus. Viel Blut. „So schönes Rot“, sagte Tamara noch während ihr Lebenssaft im Badezimmerteppich versickerte und sie ihr Leben aushauchte.
©UMW
Kein schönes Ende, da hätte ich mir doch ein wenig Einsicht gewünscht.
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Ja. Komisch…
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